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Bielefelder Kinos
Palast
Man mag es heute kaum noch glauben, aber an der Niedernstraße 21 stand bis 1988 das Palast-Theater. Eine Gedenktafel weist hier auf das Kino und ein besonderes Ereignis hin. Dazu später mehr.
Die Vereinigten Lichtspiele planten den Neubau bereits ab 1915, doch es brauchte fünf Jahre und mehrere Architekten-Entwürfe, bis die Behörden das Projekt genehmigten. Das „Palast-Theater“ ist zwar Bielefelds erster Kino-Zweckbau, doch lassen die Bauherren das Vorderhaus aus dem 19. Jahrhundert mit Geschäft und Wohnungen stehen. Eher unauffällig präsentiert sich das Lichtspieltheater deshalb dem Besucher. Schriftzug und Filmreklame kommen sehr dezent daher. Stadtbildprägende Wirkung entfaltet sich auf diese Weise nicht.
Eröffnung ist am 21. Januar 1920 mit dem Ernst-Lubitsch-Film „Carmen“ und Pola Negri in der Hauptrolle. Das Programm wird ein voller Erfolg. Innenarchitektur und –Ausstattung sollen mit Beleuchtung, Wanddekoration und Bestuhlung an ein Theater erinnern. Und genau wie beim Vorbild haben die drei Bauherren einen Orchestergraben einplanen lassen. Die musikalische Untermalung der Stummfilme soll eben noch besser, noch eindrucksvoller, noch wuchtiger werden.
711 Besucher fasst der Saal, davon 171 auf dem Balkon. 45 davon wiederum sind Logen. Sie sind dem Theater nachempfunden und haben zwei bis fünf Plätze.
Ostern 1924 zieht der Tonfilm kurzfristig ins „Palast-Theater“ ein. Die Parallele zur Jahrmarktsensation des bewegten Bildes von 1896 ist unverkennbar: Der sprechende Film kommt zunächst als technische Sensation und Attraktion. Erstmals hören die Bielefelder synchron zum Bild, das sie sehen, Hühnergegacker, Hahnenschrei, Gesang und Sprach-Dialoge. Es handelt sich um eine Erfindung des Bielefelder Joseph Massolle, der mit seinen beiden Freunden Hans Vogt und Dr. Jo Engl schon 1924 ein praxisreifes Tonfilmverfahren entwickelt hat.
Seit 1998 erinnert eine Gedenktafel an dieses Ereignis, an den Bielefelder Massolle und das Palast-Kino. Die Neue Westfälische hat diese Tafel auf Anregung von Cineast Heinrich Gräfenstein und Frank Bell anbringen lassen.
(Foto Gedenktafel an der Hauswand und Foto Palast außen aus den 1950ern)
Im „Palast“ zieht der Tonfilm mit seiner neuen Technik endgültig 1931 ein.
Wie „Capitol“ und „Gloria“ fällt auch der „Palast“ bei dem verheerenden Bombenangriff von 1944 in Schutt und Asche. Erst 1954 gelingt den Vereinigten Lichtspielen die Wiedereröffnung. Da nur noch die Umfassungsmauern standen, musste das gesamte Gebäude von Grund auf neu errichtet werden. Der Balkon wurde weggelassen. Stattdessen verlagerten die Vereinigten Lichtspiele den Vorführraum dorthin. Auch hier ist wieder ganz neue Technik eingezogen: der 4-Kanal-Magnetton und das CinemaScope Breitbild.
Die Bielefelder Kino-Besitzer entwickeln das „Palast-Theater“ zu einem Hort der leichten Muse und schließlich des Familienfilms.
1988 ist Schluss. Die Vereinigten Lichtspiele haben das Grundstück an die Verlegerfamilie Kaeller verkauft. Dort entsteht anschließend ein neues Gebäude für die Neue Westfälische. Mit Wehmut kaufen die Besucher der letzten Vorstellung ihre Eintrittskarten.
Nach 68 Jahren fällt das Lichtspielhaus dem Abrissbagger zum Opfer.
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